Information des Paritätischen Gesamtverbandes vom 29. Juni 2023: Die Bürgergeldreform der Ampel-Koalition sollte Hartz IV überwinden. Dafür änderte die Regierung das SGB II - die Grundsicherung für Arbeitsuchende - in zahlreichen Aspekten. Ein Teil der Änderungen tritt nunmehr zum 1. Juli 2023 in Kraft. Die Bürgergeldreform der Ampel-Koalition strebte eine Ablösung des Hartz IV-Gesetzes an. Die Reform sollte nach dem Willen der Regierung mehr Chancen, mehr Respekt und mehr Zusammenhalt ermöglichen. Dazu wurden zahlreiche Regelungen der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ - so der offizielle Titel des SGB II, der nunmehr zum 1. Januar 2023 durch den Titel „Bürgergeld“ ergänzt wurde – geändert. Der Paritätische hat in seinen Stellungnahmen zu der Reform vornehmlich kritisiert, dass eine Anhebung der Leistungen auf ein armutsfestes Niveau ebenso wenig realisiert wurde wie die vollständige Abschaffung von Sanktionen. Die Kernprobleme von Hartz IV wurden daher aus der Sicht des Paritätischen nicht korrigiert. Ungeachtet dessen gab es für die Leistungsberechtigten durchaus spürbare Verbesserungen.
Ein Teil der Änderungen durch das Bürgergeldgesetz tritt nunmehr zum 1. Juli 2023 in Kraft. Dies betrifft insbesondere Änderungen bei der finanziellen Unterstützung von Weiterbildungen und der reduzierten Anrechnung von Einkommen. Einige zentrale Änderungen zum 1. Juli sind:
Änderungen der Einkommensanrechnung (ausführlich: Fachliche Weisung der BA)
Schließlich wird ab Juli die Eingliederungsvereinbarung durch einen neu gestalteten Kooperationsplan ersetzt (ausführlich: Fachliche Weisung der BA). Der Kooperationsplan soll flexibler auf die Wünsche der Leistungsberechtigten eingehen und gemeinsam entwickelte Wege zu einer gelingenden Integration verankern. Durch den Verzicht auf Rechtsfolgenbelehrungen soll ein vertrauensvollerer Umgang ermöglicht werden. Sanktionen aufgrund von Pflichtverletzungen sind damit zunächst nicht mehr möglich. Bei Meinungsverschiedenheiten kann ein Schlichtungsverfahren in Gang gesetzt werden. Bei aus Sicht der Jobcenter unzureichender Mitwirkung können auch Rechtsfolgenbelehrungen mit der Androhung von Leistungsminderungen eingesetzt werden. Auch die neuen Regeln zur Erreichbarkeit von Leistungsberechtigten (§ 7 b SGB II) treten zum 1. Juli 2023 in Kraft. Zur Konkretisierung der Erreichbarkeitsanforderungen liegt ein Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor, der ebenfalls zum 1. Juli in Kraft treten soll. Dieser findet sich hier dokumentiert und kommentiert. Grundsätzlich müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wenn Sie ihre Ansprüche nicht verlieren wollen. Dazu zählt grundsätzlich, dass sie schnell erreichbar und für Vermittlungsaktivitäten verfügbar sein müssen. Durch die Neuregelung werden die Auflagen erleichtert. So ist nunmehr nicht mehr notwendig, dass Leistungsberechtigte an allen Werktagen (dazu zählt auch der Samstag) persönlich Benachrichtigungen entgegennehmen müssen. Benachrichtigungen können künftig auch von Dritten entgegengenommen und weitergeleitet werden. Dies ist insbesondere für wohnungslose Menschen eine deutliche Verbesserung. Auch die Bestimmung des orts- und zeitnahen Bereichs, in dem sich Leistungsbeziehende grundsätzlich aufhalten dürfen, wird erweitert. Diese Bestimmung gilt als erfüllt, wenn das Jobcenter innerhalb von zweieinhalb Stunden zu erreichen ist. Zu kritisieren ist an den Bestimmungen u.a., dass ein Verfahren oder eine Verpflichtung für eine zeitnahe Zustimmung der Jobcenter für Abwesenheiten fehlt. Sofern eine Zustimmung der Jobcenter erst wenige Tage vor der gewünschten Abwesenheit erteilt wird, besteht keine Planungssicherheit. Zumeist entstehen bei kurzfristiger Planung zudem höhere Kosten. Insgesamt stellen die zum 1. Juli 2023 in Kraft tretenden Änderungen für die einschlägig betroffenen Leistungsberechtigten nennenswerte Verbesserungen dar. Dies gilt insbesondere für die geänderte Einkommensanrechnung bei jungen Menschen. Auch die verbesserte finanzielle Unterstützung für Teilnehmende an Weiterbildungsmaßnahmen ist zu begrüßen. Das Instrumentarium der Jobcenter für die Förderung von Leistungsbeziehenden ist damit ausgeweitet worden. Die Reform leidet aber erkennbar darunter, dass es an einer entsprechenden Finanzausstattung der Arbeitsförderung der Jobcenter mangelt. Neue Instrumente nutzen wenig, wenn das Geld fehlt, um sie einsetzen.
Für weitergehende Infos zum Bürgergeld: Harald Thomé (2023): SGB II – Folien mit weitgehender Einarbeitung der Änderungen durch das sog. „Bürgergeld“, online verfügbar: https://tacheles-sozialhilfe.de/informationen/folien-sgb-ii.html
Darüber hinaus gibt es eine einschlägige Broschüre des BMAS: |
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