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Paritätische Broschüre "Mut zur Korrektur: Ein alterssicherungspolitischer Auftrag" und Artikel "Altersarmut bekämpfen: Paritätischer fordert Reform der Alterssicherung"

 

Der Paritätische Gesamtverband hat sich zur Bekämpfung von Altersarmut positioniert und fordert die Reform der Alterssicherung (vgl. nebenstehende Download Publikation „Mut zur Korrektur: ein alterssicherungspolitischer Auftrag“:

„Wir sind überzeugt: Eine solidarische, gerechte und finanzierbare Alterssicherung, die Altersarmut wirksam verhindert und allen Menschen auch im Alter ein sicheres Einkommen bietet, ist nötig und möglich. Mit den richtigen Maßnahmen kann die Alterssicherung wieder zu einer verlässlichen Größe gemacht und der demografische Wandel in einer solidarischen und gerechten Weise gestaltet werden. Was es dazu bedarf, ist Mut zur Korrektur!“

Auch im Alter ein gesichertes Einkommen zu haben, ist eines der größten Anliegen in der Bevölkerung. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit darüber, ob die eigenen Alterssicherungsansprüche ausreichen werden, um im Alter frei von materieller Not zu leben. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung gehen von einem hohen oder gar sehr hohen Risiko aus, im Alter arm zu sein:

Einen grundlegenden Kurswechsel in der Alterssicherungspolitik fordert der Paritätische Wohlfahrtsverband von der nächsten Bundesregierung. In einem 11-Punkte-Programm legt der Verband ein umfassendes Reformkonzept zur Sicherung der Renten und der Verhinderung von Altersarmut vor. Die mit großer Dynamik wachsende Altersarmut sei auch eine Konsequenz der Rentenpolitik seit der Jahrtausendwende. In seiner Analyse zeigt der Verband auf, dass die Wahrscheinlichkeit, im Alter bedürftig zu sein, mit jedem Rentenjahrgang steigt.

Der Verband weist daraufhin, dass die Armut seit 2005 bei keiner anderen Gruppe so stark zugenommen habe wie bei Rentnern und Pensionären. Mit 15,9 Prozent seien sie mittlerweile überdurchschnittlich von Armut betroffen. „Altersarmut ist kein Schatten am fernen Horizont, sondern bereits heute Realität. Es müssen jetzt die Weichen neu gestellt werden, wollen wir Schlimmeres verhindern“, warnt Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands.

Der Paritätische schlägt in seinem Konzept insgesamt elf konkrete Maßnahmen für den renten- und alterssicherungspolitischen Kurswechsel vor. Eine erfolgreiche Gesamtstrategie müsse bereits im Erwerbsleben ansetzen und die gesetzliche Rentenversicherung stärken. Die Spannweite der Vorschläge reicht von einer deutlichen Erhöhung des Mindestlohns über die Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent bis zur Reform der Altersgrundsicherung mit einer bedarfsgerechten Erhöhung der Regelsätze.

„Kern unseres Konzepts ist die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir fordern die Einbindung aller Erwerbstätigen, eine Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent sowie die faktische Abschaffung der Riester-Rente“, betont der Verbandsvorsitzende. „Wenn das Rentenniveau weiter sinkt, sind alle anderen Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarmut nur noch Kosmetik“, so Rosenbrock. Selbst wer über 40 Jahre durchschnittlich 2.300 Euro Brutto verdient und Rentenbeiträge einbezahlt hat, habe laut Paritätischer Forschungsstelle bei einem Rentenniveau von aktuell 47,7 Prozent eine Rente kaum noch oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erwarten.

Zur begleitenden Pressekonferenz und Pressemeldung vom 05.09.2017 schreibt Prof. Dr. Rolf Rosenbrock  „Forderung nach Korrektur der Alterssicherungspolitik“

Vor wenigen Tagen hat das Statistische Bundesamt aktuelle Daten zur Armutsentwicklung veröffentlicht, deren Befund besorgniserregend ist: Die Armutsquote verharrt mit 15,7 Prozent auf dem höchsten Niveau seit der Wiedervereinigung. Alte Menschen sind jetzt schon das zweite Jahr in Folge überdurchschnittlich von Armut betroffen. Es ist vor allem die Dynamik der Entwicklung der Altersarmut, die alarmieren muss.

2005 lag das Armutsrisiko von Rentnerinnen und Rentnern, Pensionärinnen und Pensionären noch bei 10,7 Prozent. Seitdem ist ein Anstieg der Armut für diese Gruppe um fast 49 Prozent zu verzeichnen, auf heute 15,9 Prozent – bei keiner anderen Risikogruppe hat die Armut so stark zugenommen.

Wenn also inzwischen mehr als zwei Drittel der Bevölkerung von einem hohen oder gar sehr hohen Risiko ausgehen, im Alter arm zu sein, sind diese Sorgen berechtigt. Altersarmut ist kein Schatten am fernen Horizont, sondern bereits heute Realität und die Altersarmut wird mit hoher Dynamik in den kommenden Jahren weiter zunehmen, wenn nicht heute die politischen Weichen neu gestellt werden.

Gerade in Wahlkampfzeiten wird gerne so getan, als habe der Anstieg der Armutsquoten heute nichts mit den politischen Entscheidungen von gestern zu tun. Es ist jedoch beim besten Willen nicht zu leugnen, dass die zunehmende Altersarmut auch eine Konsequenz aus den rentenpolitischen Reformen der letzten Jahrzehnte ist, mit denen beispielsweise das Ziel der Lebensstandardsicherung in der Rente dem Ziel der Beitragssatzstabilität geopfert wurde.

In unserer Broschüre "Mut zur Korrektur: Ein alterssicherungspolitischer Auftrag."hat unsere Forschungsstelle die Entwicklung des Rentenniveaus der Entwicklung der Armutsquoten gegenübergestellt. Der Anstieg der Altersarmut korreliert ganz deutlich mit dem sinkenden Rentenniveau (Abb. 1, S.4). Das kann auch nicht verwundern, denn: Die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind für viele Rentnerhaushalte nach wie vor die zentrale, teilweise sogar einzige Einkommensquelle.

Wir haben untersucht, wie sich die scheinbar abstrakte Größe des Rentenniveaus tatsächlich auf die Leistungen auswirkt. Anhand der Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle lässt sich für verschiedene Einkommensgruppen nachvollziehen, wie sich das Verhältnis von Bruttoverdienst und Rente unter Bedingungen unterschiedlicher Rentenniveaus auswirkt (Abb. 3, S.11).

Ein Beispiel: Wer über 40 Jahre einen durchschnittlichen Bruttolohn von 2.300 Euro hatte und davon Beiträge gezahlt hat, hat bei einem Rentenniveau von 47,7 Prozent eine Rente in Höhe von 814 Euro zu erwarten. Das liegt schon jetzt nur knapp über dem durchschnittlichen Grundsicherungsniveau (2015: 790 Euro). Sinkt das Rentenniveau aber weiter auf 42 Prozent, wie für 2045 prognostiziert, dann führt die selbe Beitragsleistung nur noch zu einer Rente von 717 Euro – und damit direkt in die Grundsicherung, wenn die Betroffenen keine weiteren Einkommen hätten. Erhöhen wir das Rentenniveau dagegen auf den Wert, das es vor den Riester-Reformen hatte, steigt der Rentenanspruch auf 904 Euro.

Je jünger die Altersgruppe der Senior/-innen, desto höher der Anteil der Grundsicherungsbezieher

Nun wird häufig eingewandt, dass Armut auch deshalb kein Problem sei, weil nur etwa drei Prozent der älteren Menschen Leistungen der Grundsicherung im Alter bezögen. Das ist grundsätzlich richtig, aber wenig aussagekräftig, denn die Gruppe der Grundsicherungsbezieher im Alter ist keine homogene Gruppe. Unsere Forschungsstelle hat die Zusammensetzung der Grundsicherungsbeziehenden im Alter erstmals analysiert. Es zeigt sich: Je jünger die Altersgruppe der Seniorinnen und Senioren ist, desto höher ist der Anteil der Grundsicherungsbezieher darunter. Von denjenigen, die oberhalb der Regelaltersgrenze, aber noch unter 70 Jahren sind, waren 2005 nur 2,4 Prozent im Grundsicherungsbezug. 2015 waren es schon 4,6 Prozent, nahezu das Doppelte. Das bedeutet aber auch: Die Wahrscheinlichkeit, im Alter auf Grundsicherung angewiesen zu beziehen, wächst mit jedem Rentenjahrgang.

Die vorliegenden Daten bilden nur das „aktenkundige“ Ausmaß an Altersarmut ab. Gerade ältere Menschen scheuen häufig den Weg zum Amt, um ihnen zustehende Leistungen zu beantragen, sei es aus Scham oder aus Angst, die eigenen Angehörigen würden dadurch belastet – und damit das Verhältnis in der Familie. Etwa 40 Prozent der Berechtigten nehmen die ihnen zustehenden Leistungen nicht wahr, so Schätzungen zu dieser „Dunkelziffer der Armut“. Hier besteht unverändert ein großer Aufklärungs- und Informationsbedarf.

Elf Maßnahmen für renten- und alterssicherungspolitischen Kurswechsel

Wir schlagen in unserem Gesamtkonzept insgesamt elf konkrete Maßnahmen für einen renten- und alterssicherungspolitischen Kurswechsel vor. Im Kern geht es um folgende Bereiche: Eine erfolgreiche Gesamtstrategie muss aus unserer Sicht bereits im Erwerbsleben ansetzen, die gesetzliche Rentenversicherung stärken und zusätzliche Förderungen und Maßnahmen auf die konzentrieren, die sie wirklich benötigen.

Eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung der Altersarmut muss zunächst zentral am Arbeitsmarkt ansetzen und mit guter Arbeit und guten Löhnen Altersarmut vorbeugen. Hier ist trotz Rekordbeschäftigung noch viel zu tun, die Bindung des Lohns an Tarifverträge wird immer brüchiger, viele Beschäftigungsverhältnisse sind atypisch und / oder zu schlecht bezahlt. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen stagniert auf hohem Niveau und muss durch Investitionen in Arbeit, Begleitung und Qualifikation überwunden werden. Der Mindestlohn muss erhöht, die Infrastruktur für Kinderbetreuung muss zudem bedarfsgerecht – und damit beschäftigungsfreundlich - ausgebaut werden.

Zudem ist es an der Zeit, alle Erwerbstätigen, auch Selbstständige und Beamte, in die Rentenversicherung einzubeziehen. Die noch auf das mittelalterliche Ständesystem zurückgehende Fragmentierung der Alterssicherung nach einzelnen Gruppen hat an Logik und Rechtfertigung verloren. Wir wollen die Rentenversicherung zur Erwerbstätigenversicherung ausbauen, denn: mehr und breitere Schultern können größere Lasten tragen.

Der „alterssicherungspolitische Auftrag“, den wir der neuen Bundesregierung ins Stammbuch schreiben wollen, zielt insgesamt auf eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung. Wir fordern nicht nur die Einbindung aller Erwerbstätigen, sondern auch eine Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent.

Die Riester-Rente dagegen wollen wir abschaffen, dafür diejenigen besser unterstützen, die sich bisher eine Zusatzvorsorge nicht leisten können. Die Riester-Förderung bindet Jahr für Jahr etwa drei Milliarden Euro an Förderung und kommt häufig gerade denen zugute, die darauf überhaupt nicht angewiesen sind. 

Die betriebliche Altersvorsorge soll wieder ihre eigentliche Rolle als zusätzliche Vorsorge erhalten und dabei künftig grundlegende Kriterien erfüllen: Die Finanzierung der betrieblichen Alterssicherung ist paritätisch zu gestalten, so dass Arbeitgeber mindestens zur Hälfte dazu beitragen und dabei nicht lediglich eingezahlte Beiträge, sondern auch ein bestimmtes Leistungsniveau im Ergebnis mit garantieren. 

Schließlich sieht unser Konzept vor, Zeiten der Ausbildung, Erziehung, Pflege und Unterstützung älterer Menschen sowie Phasen des Hartz-IV-Bezugs künftig wieder bzw. durch höhere Leistungen der Rentenversicherung besser zu honorieren.

Für die Bekämpfung und Vermeidung von Altersarmut ist zudem eine Reform der Altersgrundsicherung unumgänglich. Die Regelsätze müssen endlich bedarfsgerecht angehoben und ein altersbezogener Zuschlag in Höhe von zehn Prozent eingeführt werden. 

Dringender Handlungsbedarf besteht schließlich auch bei den Erwerbsminderungsrenten. Dauerhafte Erwerbsminderung ist ein Schicksal, das sich niemand aussucht. Die bestehenden Abschläge bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente sind endlich komplett zu streichen.  

Ein letzter Punkt zum Thema Rentenflexibilisierung: Schon heute gelingt es gerade Dienstleistenden in sozialen Berufen aufgrund der körperlichen Belastung nicht, das reguläre Renteneintrittsalter zu erreichen. Selbst unter allen Beschäftigten gelingt nur 40 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen ein direkter Übergang aus dem Erwerbsleben in die Rente. Hier braucht es neue Lösungen, die mehr Flexibilität und die Möglichkeit einer vorzeitigen oder auch späteren  Inanspruchnahme von Rentenleistungen zu schaffen, ohne zusätzliche Abschläge oder Nachteile zu fürchten.

Wir werden die künftige Bundesregierung daran messen, ob sie den Mut für entsprechende Korrekturen in der Alterssicherungspolitik aufbringt. Das wäre nicht nur ein wichtiges Signal für die über 17 Millionen Menschen über 65 Jahren, sondern für die Bevölkerung insgesamt.

Nachrichtlich: Der Paritätische vom 29. August 2017: „Armut verharrt auf Höchststand: Paritätischer kritisiert fehlendes Engagement der Bundesregierung“

Als Armutszeugnis für die Bundesregierung wertet der Paritätische Wohlfahrtsverband die heute vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Armutsquoten. Der Verband weist darauf hin, dass eine notwendige Trendwende noch immer nicht in Sicht sei und die Armutsquote auch in 2016 mit 15,7 Prozent auf dem höchsten Niveau seit der Wiedervereinigung verharrt. Der Verband fordert von der künftigen Regierung, einen Masterplan zur Bekämpfung der Armut in den Koalitionsvertrag aufzunehmen.

Zwar gebe es durchaus positive Entwicklungen in einigen Ländern, vor allem in den Stadtstaaten und in Ostdeutschland, doch sorge der auffällige Anstieg in einwohnerstarken Flächenstaaten wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen dafür, dass die Armutsquote bundesweit nicht sinkt. Für die besonders von Armut betroffenen Gruppen bleibe dagegen alles im Wesentlichen unverändert, wie der Paritätische feststellt. Erwerbslose, Alleinerziehende und Menschen mit Migrationshintergrund sind nachwievor die Hauptrisikogruppen. Die stärksten Zuwächse zeigten sich bei Haushalten mit Kindern sowie bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Der Verband geht davon aus, dass sich in diesen Zahlen auch bereits Geflüchtete wiederfinden, die 2015 nach Deutschland kamen.

„Insgesamt spiegeln die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes das Versagen der Bundesregierung in der Armutsbekämpfung wider. Es ist einfach eine Schande, wenn immer mehr Kinder in Deutschland in Armut leben müssen“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Überraschen muss die schlechte Armutsentwicklung nicht, angesichts der Tatsache, dass das Wort Kinderarmut im letzten Koalitionsvertrag nicht einmal vorkam. Die Große Koalition war auf dem armutspolitischen Auge blind, mindestens aber jedoch extrem kurzsichtig.“ Der Paritätische fordert die im Wahlkampf stehenden Parteien auf, sich zu den aktuellen Befunden des Statistischen Bundesamtes klar zu positionieren. „Der Koalitionsvertrag der nächsten Regierung muss zwingend einen Masterplan zur Armutsbekämpfung enthalten“, fordert Schneider.

 

 

 

Verknüpfte Artikel:

Armutsbericht 2017: Anstieg der Armut in Deutschland auf neuen Höchststand. Verbände beklagen skandalöse Zunahme der Armut bei allen Risikogruppen und fordern armutspolitische Offensive

Deutscher Verein - Publikation "Strategien gegen Altersarmut"

Alterssicherung - Rentenversicherungsbericht 2016 der Bundesregierung

Vortrags- und Film-Dokumentation zum Armutskongress am 27. und 28. Juni 2017

 

Downloads:

pdf 17 0905 Paritätischer Mut zur korrektur rente (548 KB)

pdf 17 0905 Paritätischer PK Rente Pressestatement Rosenbrock End (263 KB)

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