Der Referentenentwurf zum Intensiv- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPREG) wurde nicht – wie ursprünglich geplant – am 22.1.2020 im Bundeskabinett diskutiert. Nach massiven Protesten der Verbände und von Betroffenen ist das Bundesgesundheitsministerium nun auch im zweiten Anlauf mit seinem Gesetzentwurf zur Intensivpflege gescheitert. Gemeinsam mit weiteren Sozial- und Betroffenenverbänden hat der Paritätische eine gemeinsame Erklärung zum IPREG verabschiedet, in welcher dem BMG noch einmal der wichtigste kritische Punkt des Gesetzentwurfs eindringlich vor Augen gehalten werden soll: Es ist jedoch völlig unverständlich, weshalb künftig der Medizinische Dienst bzw. die Krankenkassen entscheiden sollen, ob ein Betroffener in der eigenen Häuslichkeit verbleiben darf oder in einer stationären Pflegeeinrichtung versorgt wird. Dies ist aus mehreren Gründen entschieden abzulehnen: • Alle Menschen haben die gleichen Rechte, unabhängig ihres Gesundheitszustandes und einer Behinderung. • Das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen hat bei der Entscheidung bezüglich des Versorgungsortes höchste Priorität. • Finanzielle Interessen dürfen nicht über den persönlichen Wünschen der Betroffenen stehen. • Es darf nicht im Ermessen des Medizinischen Dienstes oder der Krankenkassen liegen, gegen den Willen des Betroffenen über den Wohnort zu entscheiden. • Eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts verstößt gegen die Vorschriften zur Teilhabe der UN-Behindertenrechtskonvention (Art. 3 Buchst. c UN-BRK, Art. 19 Buchst. A UN-BRK, Art. 26 Abs. 1 UN-BRK), des Grundgesetzes (Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 11 GG) sowie gegen die entsprechenden Vorgaben des SGB V (§ 2a SGB V), des SGB IX (§ 1 SGB IX) und den im SGB V und SGB XII verankerten Grundsatz „ambulant vor stationär“ (§ 37 Abs. 1 und 2 SGB V, § 13 SGB XII). • Es ist im Hinblick auf den individuellen Gesundheitszustand und den damit verbundenen Einschränkungen in der Bewältigung des Alltags insbesondere für intensiv-medizinisch betreute Patientinnen und Patienten wichtig, über die Wahl des Lebensmittelpunktes selbst bestimmen zu können, unabhängig ihres Alters. Menschen mit einem intensivmedizinischen Pflegebedarf, wie z. B. invasiver Beatmung, sind bereits aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Diesen Betroffenen nun auch noch ihr freies Wunsch- und Wahlrecht in Bezug auf ihren Lebensmittelpunkt zu nehmen, bedeutet für die Betroffenen einen tiefgreifenden persönlichen Einschnitt in ihre Selbstbestimmung und nimmt ihnen jegliche Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Es ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung dieser Reform bei den Betroffenen und deren Angehörigen zu psychischen Traumatisierungen, Depressivität oder gar Suizidalität führen wird. Es ist offenkundig, dass die Krankenkassen als Kostenträger im Rahmen der intensivpflegerischen Versorgung ein hohes fiskalisches Interesse an der kostengünstigeren Versorgung im stationären Bereich haben. Sollten sie künftig über den Wohn- und Versorgungsort der Betroffenen entscheiden, ist naheliegend, dass Betroffene gegen ihren Willen in stationären Einrichtungen untergebracht werden und eben nicht bei ihrer Familie wohnen dürfen. Wir fordern deshalb nachdrücklich, bei der Überarbeitung des Referentenentwurfs zum IPREG das einschränkende Kriterium der Angemessenheit in § 37c Abs. 2 SGB V sowie den Verweis auf § 104 SGB IX zu streichen.
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